Kurzer Wochenrückblick

Es war/ist eine der vielen Wochen, die man unter "war scheiße, gehört aber irgendwie dazu" verbuchen kann. Die Aktivitäten der Woche davor waren für einen Kranken einfach zu viel. Die vielen positiven Impulse, die diese mit sich brachten, wurden diese Woche von einem Sondereinsatzkommando meines Organismus ausfindig gemacht und eliminiert. Zu unvorsichtig hatten sie sich die Woche davor ganz öffentlich bewegt,  hatten für Aufsehen gesorgt und konnten trotz verzweifelter Versuche, sie noch an einen anderen, sicheren Ort zu bringen, nicht mehr gerettet werden. Mein Hirn und Körper mussten sich also erholen und das ohne die Hilfe der positiven Impulse. Das äußerte sich in großer Müdigkeit, gleichzeitig aber, trotz Medikamenten, schlaflosen Nächte und sich stetig verschlechternder Laune, die am Freitag ihren Wochentiefststand erreichte. So fand ich keine Kraft meinen für Freitag geplanten Beitrag fertig zu stellen, weil ich an diesem Tag ganz einfach nicht mehr in meiner Vergangenheit wühlen wollte. Dafür aber fand ich Motivation eine neue Rubrik zu starten.

Vorstellung

Die Idee zu "Nachgehört" kam mir Mitte der Woche. Es war eine der oben erwähnten, schlaflosen Nächte. Ich war in dieser Nacht aber nicht alleine mit meinen Gedanken. Eine liebe Freundin, welche ich durch das Studium kennen gelernt hatte, war ebenfalls noch wach. Unter anderem kamen wir auf den Gedanken, dass man nach bestimmten Erlebnissen zum Ersten die Musik der Lieder anders wahrnimmt als vorher und zum Zweiten auch der Text eine ganz neue Bedeutung haben kann.
Ich erinnerte mich an Lieder, welche ich die letzten Monate gehört hatte und auch Lieder, bei denen ich den Text auf einmal ganz anders wahrnahm, ihn mit Erlebnissen und Gefühlen der letzten Monate in Verbindung bringen konnte.  "Das ist Klasse, daraus mache ich eine eigene Rubrik, danach kann man Songs noch mal bewusster hören und neues entdecken, quasi noch mal nachhören", dachte ich mir. Eine Rubrik in der ich erklären kann, was für mich an bestimmten Liedern oder Künstlern besonders ist, Interpretationen, und Assoziationen meines Hirns in Schriftform. Und hier ist sie!

 

 

 

NACHGEHÖRT Episode 00  Simon & Garfunkel

Paul Simon und Art Garfunkel, das sind die beiden Musiker, die 1957 das Duo Simon and Garfunkel gründeten. Seit dieser Gründung haben sie verschiedene Hochphasen und Trennungen erlebt, waren aber nie wirklich weg. Heute kann man sagen, dass sie wie ein "musikalisches" - Ehepaar sind, welches über die Jahre nicht immer zusammen sein kann, aber auch einfach nicht ohne einander kann. Nach 13 Jahren, und auf dem Gipfel ihres bisherigen Erfolgs, gingen die zwei, musikalisch, getrennte Wege. Sie sollten sich bis zum heutigen Tag noch zwei mal wieder trennen und seit 2004 standen sie nicht mehr als Simon and Garfunkel auf der Bühne. Ich möchte heute zwei Lieder vorstellen, die ich in letzter Zeit sehr oft höre, und zwar in einer ganz bestimmten Version.

 

Sound of Silence - live in central park

Diese Version wurde im September des Jahres 1981 live im Central Park in New York aufgenommen. Mein Vater hatte eine Aufnahme dieses Konzerts auf CD. Diese CD war für mich die erste Begegnung mit Simon and Garfunkel. Ich finde, dass dieses Konzert das beste ist, dass sie jemals gespielt haben.
1981 - in diesem Jahr stellte der damalige Bürgermeister der Stadt New York Überlegungen an, den Central Park aus Kostengründen zu schließen. Ein Jahr, ganz am Anfang eines neuen Jahrzehnts, welches später wie kein anderes für den Amarican Dream stehen sollte. Nichts schien unmöglich, unendliche Geldquellen, der Optimismus war enorm, Serien wie "Miami Vice" und "Knight Rider" propagierten die neue Popkultur, welche auch in der Sowjetunion heimlich geschaut wurden, und die Weltstadt des Kapitalismus wollte sich ihren Park nicht mehr leisten. Im Gegensatz dazu steht, dass dieses Jahrzehnt auch das bisher gefährlichste für den Planeten Erde war.
1980 wurde ein ehemaliger Schauspieler und extremer Hardliner als 40. Präsident der USA gewählt. Dieser trieb das nukleare Wettrüsten mit der Sowjetunion auf die Spitze. Die Logik war : Wenn man nur genug Waffen besitzt, um die Welt immer eins mehr als der Gegner zerstören zu können, so wird dieser schon nicht angreifen. Die Welt gleich 5 mal vernichten zu können, war eben doch abschreckender als nur 4 mal, auch wenn es nach dem ersten Mal keinen mehr gab, der die restlichen Zerstörungen hätte zählen können. Ronald Reagan wohnte in einem höchst gefährlichen Jahrzehnt im Weißen Haus, als im Oval Office praktisch nur ein roter Knopf gedrückt werden musste und all das hier würde nicht mehr stattfinden können. Heute stehen wir kurz davor Donald Trump im Weißen Haus zu begrüßen. Die Welt ist eine andere geworden. Reagan konnte man damals wenigstens noch sagen, dass Russland der Feind war und man den roten Knopf eigentlich nur als Drohung hatte. Trump wird (oder hoffentlich auch nicht) in einer Welt regieren, in der es dieses Blockdenken nicht mehr gibt und Gefahren und Bedrohungen komplizierter miteinander verwoben sind. Das wird spannend, um es mal optimistisch auszudrücken.

Sound of Silence - bedenkt man, was ich oben geschrieben habe, so ist das Lied heute genauso brisant, wie damals 1981. Vielleicht wussten das auch Simon and Garfunkel. Denn an diesem Abend sangen sie so harmonisch zusammen, wie ich es von sonst keiner Aufnahme der beiden her kenne. Es markiert das Ende des Konzerts und wirkt wie eine Warnung, die die beiden den Zuschauern mitgeben wollen. Die Stimme zu erheben hatte den New Yorkern beschert, dass mehrere Künstler für den Erhalt des Parks dort auftraten. New York ist eine der Städte in den USA, in denen die Bürger sehr engagiert sind und Bürgermeister keine Chance haben, wenn ihre Entscheidungen den Bürgern nicht gefallen. Der Sound of Silcene wird hier also aktiv bekämpft. So wurde der Park nicht geschlossen und sogar der Bürgermeister öffentlich, auf der Bühne, von Simon and Garfunkel verspottet. Diese bedanken sich am Ende ironisch bei ihm, für die Chance im Central Park aufzutreten, und da ein geplantes Feuerwerk nicht erlaubt wurde, bitten sie die Zuschauer ihr eigenes, mit ihren Feuerzeugen in der Luft, zu veranstalten. Das hat es alles auf die CD geschafft und findet kurz vor Sound of Silence statt.

 

 

Bridge over Troubled water - live in central park

Ein Lied, dass ich sehr oft gehört habe in den letzten Monaten. Diese Brücke kann dabei alles mögliche sein. Ein Gedanke, eine Person, eine Tätigkeit oder ein Song. All diese Dinge, die einem über schwere Zeiten hinweg helfen können. Diese zu finden und zu nutzen, ist aber nicht immer so einfach. 1981 wussten die beiden noch nichts von den schweren Zeiten, die New York und den USA bevorstanden. 20 Jahre später, fast auf den Tag genau, flogen zwei Passagierflugzeuge in die zwei Türme des World Trade Centers. Ab diesem Zeitpunkt sollte sich die Welt verändern. Ein überforderter Präsident befahl zwei Kriege, destabilisierte eine ganze Region und die Folgen all dessen können wir heute erst so richtig sehen und spüren. Heute benötigen wir aber keine große einzelne Brücke, sondern viele kleine Brücken. Ob es nun in der Weltpolitik, oder dem Alltag ist. Die große Antwort auf alles - abgesehen von 42 - gibt es nicht. Aber es gibt viele kleine Dinge, die einem helfen können und die werden einem, vielleicht, bewusst, wenn man diesen wunderbaren Song hört.

 

Sound of Silence - alternative versionen

Paul Simon hätte 1981 wohl nie gedacht, dass er 30 Jahre später, wieder fast auf den Tag genau, ein paar Straßen weiter südlich, vor zwei rießigen Löchern steht und Sound of Silence für die Opfer und Hinterbliebenen des 11. Septembers 2001 singen würde. Diese Version ist noch mal ganz anders. Die Stimme ist, altersbedingt, nicht mehr ganz so klar, und man merkt der Version eine ganz neue Tiefe an. Paul Simon ist sichtlich berührt und legt, so scheint es, den Schmerz einer ganzen Nation in dieses Lied.

 

Die nächste Version hat mich persönlich sehr berührt. Ich habe sie zum ersten mal Anfang Januar 2016 auf YouTube gehört. Die "AutoPlay"-Funktion war eingeschaltet, ich hörte vorher das Original und der Browser war minimiert. Ich sah also nicht das Video. Nach den ersten 5 Sekunden hörte ich mit allem, was ich gerade tat, auf und lauschte der Musik. Eine atemberaubende Version, die mich erstarren und weinen lies. Ich konnte nichts dagegen tun, es floss einfach. Der Künstlerin Nouela -hier und hier- ist hierbei eine wunderschöne Version gelungen. Die Aufnahme ist sehr betont auf die Stimme, ganz spärlich, leise, spielt ein Klavier im Hintergrund, setzt sich nur an sorgfältig gewählten Punkten mal ganz nach vorne. Die Sängerin ist ganz nah am Mikrofon, das Gate ist gering eingestellt, sodass wir ihr Atem hören können, aber nicht so schwach eingestellt, dass es stört. Es passt wunderbar dazu. Und dann kommt ihre Stimme mit einer Klarheit und Prägnanz daher - unterstützt von einem leichten Raumhall - sodass es eine komplett neue Interpretation ergibt. Eine die ich nur zu gut nachvollziehen konnte. In ihrer Stimme findet sich nichts warnendes mehr, keine Botschaft sich zu erheben und nicht alles hinzunehmen. Das hat diese Stimme alles schon hinter sich. Sie hat gekämpft, ist aufgestanden und hat verloren. Verlust, Schmerz und Resignation, das alles ist in dieser Stimme zu hören. Die Dunkelheit und Stille hat gesiegt. Ein Bild, welches mir oft kam und auch immer noch kommt. Ich habe mir dann das Video dazu angeschaut und musste direkt wieder weinen. Es ist ein Zusammenschnitt aus verschiedenen Filmen, alles in schwarz/weiß gehalten. Die Bilder unterstützen die Emotionen, die man sowieso schon hat, so stark, dass spätestens jetzt keiner mehr eine Träne zurückhalten kann.
Wenn ihr euch diese Version anschaut, dann hört zunächst einfach mal nur und schaut euch in einem zweiten Durchgang erst das Video dazu an.
 

 

Viel Spaß beim Nachhören und ein schönes, erstes Märzwochenende

Das Faultier

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